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von
Alexander
Auer
Durchschnittliche Bewertung: 4.42 (12 Stimmen)

Das Spiel ist aus

Es ist spät geworden. Lange hat sich das Spiel hingezogen, jetzt ist Schluß. Wir stehen auf und gehen nach Hause, sehnen uns nach ein bißchen Ruhe. Es war anstrengend diesmal. Ein gutes Spiel, sehr abwechslungsreich, aber zu lange. Wer gewonnen hat? Keiner, glaube ich. Wir sollten uns auf Unentschieden einigen. Vielleicht haben wir auch beide verloren. So genau kann man das nachher nie sagen. Das Spiel ist sehr kompliziert, die meisten brauchen Jahre um mitspielen zu können. Manche durchschauen es nie ganz. Die stehen dann daneben und schauen zu. Es ist ein komisches Gefühl, ein Spiel abzuschließen. Man wird so sentimental, wenn man an die einzelnen Züge zurückdenkt. Gute Züge, die das Spiel interessant gemacht haben, und andere, wo es dann heißt: Zurück zum Start. Alles war in unserem Spiel vorhanden, wir haben unsere ganze Taktik eingesetzt. Es sind Figuren dazugekommen und wieder gegangen. Manche haben das ganze Spiel beeinflußt, andere waren nur nebensächlich. Eins muß ich sagen, ich hab noch nie gegen einen so ebenbürtigen Gegner wie dich gespielt. Ich bereue es nicht, es war die beste Partie meines Lebens, aber jetzt ist Langeweile eingezogen. Die Züge waren lustlos, wir waren schon zu müde. Du bist aufgestanden und gegangen, jetzt bist du in deinem Haus und ich in meinem. Als das Spiel noch im Gange war, war mein Haus deines und dein Haus meines. Ich will gar nicht zurückdenken, ich will mich nur ausruhen. Kann ich das? Denk ich insgeheim nicht schon wieder daran einen neuen Partner für das große Spiel zu finden? Wenn man einmal anfängst sich mit den Regeln vertraut zu machen, kannst man nicht einfach sagen ‘Ich spiel nicht mehr mit’. Nein, man ist gefangen, das Spiel beherrscht die Welt, alle spielen es, jeder auf eine andere Art. Und du willst sie alle kennenlernen, die mutigen und schüchternen, die verkrampften und die lockeren, die ehrlichen und unehrlichen Spieler. Gegen alle willst du einmal gespielt haben, und es treibt dich, es drängt dich gegen jeden von ihnen zu bestehen. Und dann plötzlich ist ein Spiel aus. Manchmal erwartet, absehbar, da der eine Spieler schon zu weit in Führung gelegen ist. Oder wie ein Blitz aus heiterem Himmel, wenn ihn das Spiel nicht mehr reizt. Seit Jahrtausenden spielen wir miteinander, viele Theorien und Hypothesen wurden aufgestellt, um den Reiz zu erklären, den es auf uns ausübt. Millionen von Seiten wurden geschrieben, die helfen sollten, das Spiel zu gewinnen. Und doch hat noch nie jemand gewonnen, ohne nicht auch zu verlieren. Wir haben ein Unentschieden erreicht. Ich glaube, das ist mehr als man sich normalerweise erwarten kann. Meistens verlierst man, wir können also schon zufrieden sein. Wer weiß, vielleicht sitzen wir uns irgendwann wieder einmal gegenüber, bewaffnet mit neuen taktischen Tricks und Kniffen, die uns jemand anderer beigebracht hat. Oder wir helfen uns gegenseitig beim Spiel mit neuen Partnern. Wir werden sehen. Laß uns einfach weiterspielen.

Auch wenn unser Spiel aus ist.

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