Impressum | Kontakt | Jobs
Aufdringliche Selbstdarstellung seit 1996
Homepage
von
Alexander
Auer
Durchschnittliche Bewertung: 7.23 (13 Stimmen)

Empty V

Sehr geehrter Leser, sehr geehrte Leserin, liebe Musikfreunde!

Empty V ! Jeder Musikgenießer läßt sich diesen Namen genüßlich auf der Zunge zergehen. Eine Band, die uns mit ihrem Sound durch unsere Jugendzeit begleitet hat, die den Begriff Rock´n Roll völlig neu definiert hat und abseits von allen Modeströmungen der Musik ihren eigenen Weg gegangen ist. Zahlreiche junge Bands geben Empty V als ihre Hauptinspiration und den Grund Musik zu machen an. Wir wollen versuchen den Weg von der sprichwörtlichen Gosse bis zum Weltruhm zurückverfolgen, den diese sagenumwobene Band zurückgelegt hat.
Über das Treffen zwischen Mick Jäger (geb. 26.7.1943) und Richard ´Richie´ Keiffer (geb. 18.12.1943) liegen unterschiedliche Versionen vor. Eine besagt, daß die beiden zufällig mit dem gleichen Mädchen zusammen waren und dieses beide irrtümlicherweise zur gleichen Zeit zu sich eingeladen hatte. Beide waren so sauer , daß sie sie verprügelten und beschloßen, gemeinsam eine Band zu gründen. Eine andere Version besagt, daß sie in einem Lokal in einen Streit verwickelt wurden. Mick brüllte Richie an, woraufhin dieser ihm anbot Sänger zu werden, nachdem er Mick K.o. geschlagen hatte. Wie dem auch sei, die zwei gründeten eine Band, die sie anfangs ´Rolled´n Stoned´ nannten. In Tony Eiomi fanden sie einen passenden zweiten Gitarristen, der Platz hinter dem Schlagwerk wurde mit Ian Peace besetzt. Mit dem Bassisten John Entenpfeifer war die Band komplett und konnte ihren Siegeszug um die Musikwelt beginnen.
Schon in den Anfangstagen in einem schäbigen Probekeller entwickelten sie die Arbeitsweise, die den Grundstein für ihren späteren Erfolg legte: Ein gutes Klima innerhalb der Band, ein Anspruch an die Intellektualität der Texte und Musik und vor allem viel knochenharte Arbeit.

Tuuut.Tuuut.Tuu- "Wer zum Teufel weckt mich mitten in der Nacht?" "Mick..." "Richie, verdammt.Es ist zwei Uhr nachts!" "Mick..." "Wenn wir nicht mindestens den Grammy gewonnen haben, komm ich rüber und zieh deine Saiten neu auf - um deinen Hals!" "Mick, es ist zwei Uhr nachmittags. Wir sitzen hier im Proberaum und warten nur auf dich!" "Hey, shit. Ich muß ein paar Minuten verschlafen haben. Hätte den Radiowecker nicht gegen das Mikro eintauschen sollen." "Wir warten seit 11! Wir haben übermorgen einen Gig und haben die neuen Nummern erst einmal geprobt. Du warst so fett, daß du das Publikum zum mitsingen aufgefordert hast - im Proberaum! Außerdem hast du ins nagelneue Mikro gebissen." "Ah, das ist natürlich eine Erklärung für den fehlenden Schneidezahn. O.k., bin in 2 Minuten bei euch."
Eine ¾ Stunde später betritt ein ungewaschenes, unrasiertes Etwas den kleinen Proberaum. Es kratzt sich am Hinterkopf, versucht im Dämmerlicht ( das durch seine halb geschlossenen Augen entsteht) Einzelheiten zu erkennen und gibt es nach 4 ½ Sekunden auf. "Hi, John" "Hi, Mick" "Hi, Tony" "Hi, Mick" "Hi, Ian" "Hi, Mick" "Verdammtes Arschloch" "Hi, Mick". Mick Jäger zündet sich eine Zigarette am Filter an. Eine kleine Flamme züngelt einige Sekunden lang und geht dann aus. "Verdammt, ich sollte wirklich die Marke wechseln. Die Dinger schmecken zum Kotzen. "Richie fängt an auf der Gitarre die Akkorde von ´Smoke on the Water´ zu spielen. Ian setzt sich ans Schlagzeug und beginnt zu trommeln. Mick horcht auf. "Ist das eines der neuen Stücke? Hört sich nicht schlecht an!" "Ne, das ist nicht von uns - leider" "Shit. Naja, wär eh nie ein Hit geworden. Viel zu kommerziell." Richie baut sich in der Mitte des Raumes auf. "Ich muß euch mein neuestes Riff vorspielen. Genial sag ich euch!" Leidenschaftlich schlägt er einige Akkorde an. Mick gähnt geräuschvoll, Tony widmet sich seinem Bier. "Na wie hört sich das an?" "Ziemlich punkig." "Wie meinst du das?" "Als würdest du auf die Gitarre eindreschen bis zufällig drei Akkorde entstehen." Tony und John fallen vor Lachen fast vom Sessel, Ian hat den Witz nicht verstanden, Richie ist sauer und zieht sich in eine Ecke zurück und zupft ´Live and let Die´. "Also los, packen wir´s.Wir haben schon genug Zeit vertan." "Na gut, zuerst einmal ´Bright Lights, Big City´. Auf den Song bin ich besonders stolz. Der Text ist mal was anderes."

Zwei Tage später in der Künstlergarderobe des Headbanger´s. Mick raucht, er hat die Marke gewechselt. Richie macht Fingerübungen auf der Gitarre, ab und zu nippt er an einem Mineralwasser. Tony hat gerade sein 4. Bier zur Hälfte ausgetrunken. Ian und John fechten mit zwei Drumsticks. Nach einer gekonnten Attacke von Ian landet Johns Drumstick in Tonys Bier. Tony schaut das Glas mit dem Stick lange an, realisiert aber nicht ganz wie sie zusammenpassen könnten. "Wann sollten wir anfangen?" "Um 8." "Und wie spät ist es jetzt? Ich hab meine Uhr gegen ein Kabel getauscht." "10 nach 8." "Gut, dann haben wir ja noch Zeit." Mick versucht mit dem Zigarettenrauch Ringe zu blasen, die kleinen Pantoffeltierchen ähneln. Er bekommt einen Hustenanfall, der einige Sekunden dauert. Richie beobachtet ihn mit Verachtung. "Na wunderbar. Wir haben einen Sänger der raucht wie ein Schlot und einen Gitarristen der mehr Sprit verbraucht als ein Käfer Automatik. Da hätten wir gleich Joe Cocker und Dean Martin nehmen können." "Halt die Luft an! Ich bin nicht Rocksänger geworden um heilig gesprochen zu werden." "Mann, da draußen stehen 1000e Fans, die eine Menge Geld bezahlt haben, nur um uns in Natura zu bewundern. Ich finde, es ist unsere verdammte Pflicht 100% fit zu sein und unser Bestes zu geben." "Unsere einzige Pflicht ist es mit dem Konzert so viel zu verdienen, daß wir die Miete für den Proberaum zahlen können. Was mich angeht, bin ich zufrieden, wenn ich was zum Fressen, Rauchen und ... und... und Befriedigen meiner anderen niederen Triebe habe. Bei Maslow steh´ ich noch ganz unten!" Richie schüttelt verärgert den Kopf, will etwas sagen, wendet sich dann aber doch wieder seinen Fingerübungen zu. Tony versucht noch immer das Geheimnis des Drumsticks in seinem Bierglas zu erkunden, schafft es aber mangelns philosophischer Ausbildung nicht. Es klopft, der Veranstalter kommt herein. "Es wird Zeit, Jungs. Die Meute da draußen wird langsam heiß. Heizt ihnen ordentlich ein!" Alle schauen fragend zu Mick, außer Tony, der sein Bierglas anstarrt. Mick nickt und alle erheben sich. Auch Tony wird erhoben und in Richtung Bühne getragen. Der Veranstalter kündigt gerade ihren Auftritt an: "Und nun meine Damen und Herren, die Band, die knapp vor dem Sprung zur großen Weltkarriere steht. Live at it´s best: EMPTY V!!" "Hamme leicht schon ´nen Hit gelandet?" gröhlt Tony im Hintergrund. "Hey Mick, vielleicht sollten wir die zweite Gitarre doch nicht anstecken?" Mick wirft einen verstohlenen Blick auf Tony, woraufhin sich alle zu Tony umdrehen. "Wir müssen aber, sonst hört sich unser Sound an wie der Todesschrei eines geköpften Hähnchens." "Wasss is los? Isss der Gig schon vorbei? War ich gut?" "Andererseits ...?" Tony blickt von Mick zu Richie, von Richie zu Mick und zurück. "Wo sssin denn John und Ian?" "Die stehen neben dir und halten dich, damit du nicht umfällst." Tony blickt nach links und rechts und erkennt die beiden nach einigen Sekunden. "Ach , da sseid ihr ja. Wie gehts euch denn ssso?" "Also los. Zeigen wir denen mal wie man Rock´n Roll spielt!" Mick stapft in Ich-bin-der- auf-den-ihr-schon-immer-gewartet-habt-Manier auf die Bühne, dahinter Richie, danach, immer noch Tony stützend, Ian und John. Mick reißt das Mikro an sich und brüllt in die Menge "Hallo Vienna. Nice to be in this town!" "Red doch keinen Stuß." faucht ihn Richie an "Du bist noch nie weiter als Stockerau von Wien weggewesen." "Na und? Wir müssen uns einen internationalen Anstrich geben, sonst werden wir auch nie weiter kommen. Kannst du sehen wie viele Leute ungefähr im Saal sind?" "Das müssen mindestens ...9 sein. Barkeeper und Hund mit eingerechnet. Verdammt, so viele hatten wir noch nie! Gib dein Bestes."
Richie packt sorgfältig Gitarre und Verstärker in den alten VW-Bus. Danach dreht er sich zu Mick um, der mit gierigen Augen den Veranstalter beim Geldscheinezählen beobachtet. "O.k. Hier sind eure 1000 Schilling. Laßt euch hier nie wieder blicken!" "Danke gleichfalls, Meister." Mick grinst, als er die Scheine in der Innentasche seiner Lederjacke verschwinden läßt. Aus dem VW-Bus ertönen Schnarchgeräusche, die von Tony stammen, der die gesamte Rückbank einnimmt. Ian und John schleppen gerade den Rest des Equipments heran. "Na das hat sich ja wieder mal gelohnt, was Mick?" "Ich weiß gar nicht was du willst, Richie. Wir haben die Kohle, alles andere ist Nebensache." "Ach, daß du mitten in ´Rock´n Roll Child´, unserem intellektuellsten Stück, die Hosen runterläßt, ist also Nebensache, ja?" "Ich wollte die Mädels im Publikum beeindrucken. Ein geiler weiblicher Anhang ist die halbe Karriere." "Verdammt, Mick. Es war eine einzige Dame im Publikum und das war die Mutter des Barkeepers! Wir haben Glück, daß sie uns überhaupt ausbezahlt haben!" "Das hätte dann aber auch an deiner mißlungenen Angus Old Einlage liegen können." "Wenn mir Tony vor die Füße kotzt und ich drauf ausrutsche, kann ich doch nichts dafür. Ich habe verdammte zehn Minuten gebraucht um die Hose sauber zu kriegen!" Mick schüttelt verärgert die letzte Zigarette aus der Packung und steckt sie an. "Können wir endlich fahren? Ich bin hundemüde." Richie wirft Ian einen giftpfeilartigen Blick zu. "Mit Leuten die die Songliste nicht lesen können, red´ ich doch überhaupt nicht!" "Verdammt, da stand ´Solo´. Woher sollte ich denn wissen, daß damit ein Gitarren- und nicht ein Schlagzeugsolo gemeint ist." "´Deaf and Dumb´ ist eine Akkustiknummer mit reiner Gitarrebegleitung. Jedenfalls war sie das bis du mit deinem Brachialgetöse dahergekommen bist! Arschloch." "Reg dich ab Richie. Du mußt morgen fürs Interview fit sein." "INTERVIEW !!?" Drei Paar Augen richten sich auf Mick, Tony schnarcht ein bißchen lauter. "Klar, ich hab euch doch erzählt, daß ein Freund von mir beim ´Metal Anvil´ arbeitet. Und die wollen uns morgen interviewen. Das wird unser großer Durchbruch, ich spüre es. Hat mich einen Blauen gekostet!"

Nach ihren ersten sagenumwobenen Konzerten, mit denen sie sich schon früh den Ruf der ´etwas anderen Band´ erworben hatten, witterte also auch die Fachpresse Blut. Die großen Magazine rissen sich förmlich um Interviews mit den neuen Stars und priesen sie in den Himmel. Doch die Band wollte ihren Independentstatus sichern und sich nicht zum gehypten Shooting-Star machen lassen. Dies beweist eindrucksvoll eine Strophe aus einem frühen Text von Mick Jäger, der in dieser Zeit entstanden ist:

I´m the enemy of NME
of Rolling Stone and Mtv
I´m no fan of the Music Man
Most evil is the Anvil

Sie ließen sich nicht durch Geld fangen, da sie dadurch ihre künstlerische Entwicklungsfähigkeit gefährdet sahen. Leider gingen diese ersten Interviews für immer verloren, als ein unbekannter Mann im Archiv des Metal Anvil Feuer legte. Dieser Attentäter auf die Musikwelt wurde nie gefaßt, er wurde der Polizei als sehr nervös, mit einer Zigarette im Mund und einem ´Who the fuck is Mick Jäger´-T-Shirt bekleidet beschrieben.

METAL ANVIL: Um unseren Lesern einen kurzen Überblick über die Bandgeschichte zu geben: Wie hat denn alles angefangen?
MICK: Nun, es war so. Ich war mit John in einer Schule. Ich war zwei Klassen über ihm, hab´ ihn aber nur vom Sehen gekannt. Freunde sind wir erst geworden, als wir gleichzeitig von der Schule geflogen sind. Ich, weil ich die Tochter des Direktors gevög... mit ihr zu engen Kontakt gepflegt habe, John, weil er mit der Notengebung seines Matheprofessors nicht einverstanden war.
MA: Das ist ein Grund für den Rausschmiß?
MICK: Er hat ihm auf den Tisch gepinkelt.
MA: Verstehe.
MICK: Richie habe ich auf der Kärntner Straße kennengelernt. Er war damals Straßenmusikant.
RICHIE: Mick war stockbesoffen. Ich habe gerade ´Stairway zum Häfn´gespielt und er hat dazu ´Jumping Jack Cash´ gesungen. Keiner hat es bemerkt, und ich hab doppelt soviel verdient wie sonst. Einer hat mir sogar einen Hunderter gegeben, damit wir aufhören. Daraufhin haben wir beschlossen, eine Band zu gründen. Ian war der Nächste. Den kannte ich noch von meiner Zeit auf der Musikhochschule. Jeder kannte ihn dort, er wurde immer als schlechtes Beispiel präsentiert. Tony schließlich stürzte bei einem Auftritt volltrunken auf die Bühne, schnappte sich eine Gitarre und fing an zu spielen. Wir wollten uns den Gig nicht kaputtmachen, darum haben wir ihn sicherheitshalber als Bandmitglied vorgestellt. Das ist jetzt 6 Jahre her.
MA: Eine turbulente Geschichte. Was für eine Stilrichtung spielt ihr eigentlich?
MICK: Wir lassen uns nicht in eine Schublade pressen. Am ehesten würde ich uns als eine Funk-Rock-Heavy-Psychedelic-Blues-Country-Jazz-Band mit einer Vorliebe für Grunz... äh Grunge bezeichnen.
RICHIE: Dadurch, daß wir so viele verschiedene Stile vertreten, ist es schwer für uns, ein gezieltes Publikum anzusprechen.
MA: Habt ihr Vorbilder?
MICK: Jaaaa, also ich möchte einmal das erreichen, was mein Dad erreicht hat.
MA: Nein, ich meine musikalische Vorbilder.
MICK: Ach so. Nun, da wären einmal Deep Turtle und John Cannon.Sein ´Give Piss a Chance´ ist eines der genialsten Lieder der Rockgeschichte. Eine einzige Lieblingsband habe ich nicht, dafür gibt es zu viele gute. Sehr beeindruckt haben mich auch Pink Sabbath und Zed Leppelin. Pink Sabbath sind für mich die wirklichen Erfinder des Heavy Metal. Ihre Musik ist zäh wie Lava, also etwas schwer verdaulich.
RICHIE: Ich wurde von den klassischen Meistern beeinflußt. Bach, Mozart, Beethoven, Orff. Das sind für mich wahre Meister ihres Faches. Zuerst habe ich ihre Werke auf dem Klavier und der Geige gespielt, bis ich auf der Suche nach neuen Ausdrucksmöglichkeiten die Gitarre entdeckt habe. Du findest viel klassisches Zeug in meinen Soli wieder.
MA: Ihr habt ja schon zwei Cds herausgebracht: ´Wish you were Beer´ und ´Wet out of Hell´. Warum verkaufen sie sich so schlecht?
MICK: Wie gesagt, wir sind keine Schubladenband. Dadurch sprechen wir ein selektives Publikum an. Trotzdem haben wir einen harten Kern treuer Fans, die mit uns durch dick und dünn gehen. Bei unserem letzten Gig im Headbanger´s spielten wir vor 9 ..00 kreischenden Fans. Ich meine kreischend natürlich nicht im pubertären, sondern im musikphilosophisch-existentiellen Sinne. Es war eine tolle Stimmung.
MA: 900 Fans in einem kleinen Rockclub?
MICK: Grob geschätzt natürlich.
MA: Na gut, wollen wir mal sehen, ob wir noch dringend eine Spalte füllen müssen. So long.

"Diese Arschlöcher! Elende Schmierfinken! Journalisten gehören ausgerottet!" Mick wirft ein Exemplar des Metal Anvil auf den Boden des Proberaums. "Wieso? Was schreiben sie denn?" Richie, Ian und John drängen näher, Tony läßt fast seine Bierflasche fallen. Mick blättert wütend die vorletzte Seite auf. "Hört euch das an. ´Wir raten jedem unserer Leser von einer Reise nach Wien ab. Sie könnten irrtümlich der Band EMPTY V über den Weg laufen, an der jeder Masochist seine hellste Freude hätte. Ich hörte sie spielen und sah dabei die Zukunft des Rock´n Roll. Ich bin jetzt überzeugter Anhänger tibetanischer Tempelmusik. Das heilige Om möge mit euch sein.´" Betretenes Schweigen. "Und wieder ein Rockkritiker weniger. Ihr müßt die Sache positiv sehen." Ian versucht etwas Optimismus zu verbreiten. "Das Schlimmste kommt erst." Mick zieht einen Brief aus der Tasche. "Der Fremdenverkehrsverband hat uns als Reaktion auf den Artikel geschrieben. Sie befürchten einen Einbruch der Nächtigungszahlen und spendieren uns daher eine kostenlose Konzerttournee durch Nordalaska. Mindestdauer 8 Jahre. Einfachtickets!" John stapft in Richtung Tür. "Wo gehst du hin?" "Den Fremdenverkehrsverband niederbrennen." "Hat keinen Sinn." "Was schlägst du dann vor?" "Wir sprengen den Metal Anvil." "Auch gut." Mick zieht ein weiteres Papier aus der Tasche. "Dafür habe ich einen Text über diese Schmierfinken geschrieben. Wenn wir erst berühmt sind, kostet sie das 10% ihres Umsatzes. Ich nenn das Stück ´For whom the Bell tolls´."

Ihren ersten größeren Hit landeten Empty V mit ´For whom the Bell tolls´, aus dem obige die oben erwähnte Textzeile stammt. Wenn sie damit auch noch nicht reich wurden, so gewannen sie damit immerhin ein gutes Stück internationaler Beachtung. In Amerika stieg der Song bei den Top 40 auf Platz 37 ein und hielt sich dort zwei Wochen. In Neuguinea schafften sie sogar den beachtlichen Platz 29. Vielleicht wären sie wieder in der Versenkung verschwunden, wenn sie den bis dato üblichen und bereits ausgetretenen Pfad beschritten hätten. Der bestand aus einer Tour durch Westeuropa und einem gelegentlichen Schielen nach den Staaten. Doch das war nichts für Empty V. Diese Band war zu innovativ, um einem breiten Trampelpfad zu folgen. Sie wußten, daß sie ihren eigenen Weg gehen mußten. Und so trafen sie die, für manche unverständliche, doch für Kenner der Band völlig logische Entscheidung, eine Nordalaskatour zu starten. Diese war finanziell so einträglich, da ihr Sound dort einen gewissen exotischen Reiz hatte, daß sie bereits nach wenigen Wochen eine Tour in den Staaten wagten. Und es war wirklich eine gewagte Sache, denn die Staaten befanden sich zu dieser Zeit in einer wirtschaftlichen Depression und Konzertbesuche stellten einen Luxus dar, den sich die meisten nicht leisten konnten. Doch das Bandmotto ´Wer wagt gewinnt´ schlug voll ein, und die meisten ihrer Konzerte waren ausverkauft. Doch wieder kamen schwere Zeiten auf die Band zu. Keine der Plattenfirmen wollte sie unter Vertrag nehmen. Sie seien zu fortschrittlich, das Publikum sei noch nicht reif für diese Art von Musik, der künstlerische Anspruch sei zu hoch, das Publikum wolle Massenware.

"Das ist Müll!" Das Demotape landet im Abfalleimer neben dem Schreibtisch Marke ´Krösus´. Moses ´Call me Mo´ Town lächelt sie verächtlich an. "So einen Müll habe ich seit der ´Creedence Pollution Revival Revival Band´ nicht mehr gehört. Gebt auf. Ihr seid Flaschen." Mick sieht Richie fragend an. Der nickt. "Du hälst ihn, ich schlag zu." 2 ½ Minuten später waren sie aus dem Plattenfirmengebäude draußen. "Verdammt Mick, jetzt gibt es bald keine Plattenfirma mehr, bei der unser Steckbrief noch nicht hängt. Das war schon der siebente." Mick seufzt. "Wir hätten nach Anchorage die andere Abzweigung nehmen sollen. Dann wären wir wenigstens noch immer in Alaska. Da hatten wir wenigstens genug zu trinken." "Ich kann´s noch immer nicht glauben, daß du der netten alten Dame in Barrow das Tombolalos geklaut hast, Mick. Wie konntest du nur so etwas tun?" "Sieh das nicht so eng, Richie. Wahrscheinlich habe ich ihr damit doch nur einen Gefallen getan. Mal ehrlich, was hätte eine 80 jährige Lady mit 500 Litern Bier angefangen? Da hab ich ihr doch eine Last von den Schultern genommen." Schweigend gehen sie durch die Straßen von Seattle. Die Sonne scheint warm vom Himmel herab und macht den Platzregen, der noch vor Minuten niedergegangen war, vergessen. "Immerhin haben wir doch Erfolg , oder?" Sie lassen sich auf eine Parkbank fallen. "Aber auch nur, weil auf den Plakaten groß ´Freibier´ steht und klein im linken Eck: If you come to see Empty V." "Trotzdem: Wir haben jeden Abend Full House. Allerdings haben wir nur mehr 50 Liter übrig." Richie stößt einen Seufzer aus, der einen streunenden Hund erschreckt auffahren läßt. "Wenn nicht bald ein Wunder geschieht, stehen wir auf der Straße. Unsere Einnahmen reichen gerade, um Essen und Übernachtung im Motel zu bezahlen." "Du bist aber auch nie zufrieden." "Ich kann einfach keine Befriedigung finden. In unserer Lage ..." "Was hast du da gerade gesagt?" Mick sitzt kerzengerade auf der Bank. Richie schaut ihn verwundert an. "Ich sagte: Ich kann einfach keine Befriedigung finden, weil..." "Das reicht schon." Micks Augen glänzen. "Verdammt Mick, was ist los." "Die Muse hat mich gerade geküßt, was heißt geküßt, von oben bis unten angesabbert hat sie mich!" Richie beginnt sich ernsthaft Gedanken über Micks Geisteszustand zu machen. Anfälle hatte er schon öfter gehabt, aber so schlimm wie diesmal war es noch nie gewesen. Mick springt auf und rennt die Straße hinunter. "Mann, Mick! Wohin rennst du?" "Kennst du das Yankee Stadium in New York?" "Klar, vom Hörensagen." "Dort spielen wir als nächstes."

Mit ´Ich kann einfach keine Befriedigung finden´ schafften Empty V schließlich den internationalen Durchbruch. Es war ein umstrittener Song, der sehr viele Diskussionen über Moral und künstlerische Freiheit auslöste, nicht zuletzt, da die Kirche ihren Krenn dazugab und das, ihrer Meinung nach, jugendverderbende Lied verbieten lassen wollte. Der Warnaufkleber ´Achtung! Manche Leute könnten die Texte anstößig finden´ förderte den Umsatz, laut einigen Musikexperten, um ca. 50%. Auf diesen Hit folgten weitere wie ´Born to be child´, ein Lied mit entwicklungspsychologischem Inhalt, ´Lucy in the Sky with Charlie Brown´, eine Persiflage auf amerikanische Zeichentrickserien, ´Should I stay or should I grow´, das die Ängste des Erwachsenwerdens behandelt, oder das epische Meisterwerk ´Telegraph Code´, von dem böse Zungen behaupten, es sei eine Anspielung darauf, daß Mick sich keine Telefonnummern merken kann. Auf dem Gipfel ihres Erfolges bekam die Band, 12 Jahre nach ihrer Gründung, den Grammy für die Platte ´Sharp right from the Moon´ verliehen. In seiner Dankansprache erwähnte Mick Jäger ganz besonders den österr. Fremdenverkehrsverband "ohne den die Band heute nie dort wäre, wo sie ist." Diese Aussage wurde viel diskutiert, und die meisten Musikexperten sind der Meinung, daß der Fremdenverkehrsverband für Mick ein Symbol des Internationalismus darstellt, der die Völker einander näherbringt und dadurch weltweite Verständigung möglich macht. Andere Experten meinen, Mick sei stockbesoffen gewesen. Empty V haben sich durch ihre Musik in unseren Herzen und Plattenschränken einen festen Platz gesichert, obwohl sie nun schon seit 12 ½ Jahren eine kreative Schaffenspause eingelegt haben. Die Leute, die behaupten, die Band hätte einfach schon genug verdient, haben diese sensiblen Künstler natürlich noch nie verstanden. Wahr ist viel mehr, daß Mick & Co. neues kreatives Potential sammeln, um nicht in die Mittelmässigkeit abzusacken. Keine der unzähligen Nachahmerbands, die wie Pilze aus dem Boden schoßen, kommt auch nur im geringsten an die Genialität dieser Rockpioniere heran. Ich traue mich fast zu sagen: Empty V verkörpern das ganze Musikbusiness!

Wie gut hat Dir die Geschichte gefallen?:
(Gar nicht) 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 (Sehr gut)
nächste Geschichte
Zurück zur Übersicht