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von
Alexander
Auer
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Nur ein Tag

Der Tag fließt dahin wie Lava. Du stehst auf und hast das Gefühl, daß die ganze Sinnlosigkeit deines Lebens sich in diesem Tag vereinigt. Die erste Zigarette wird geraucht während das Teewasser leise kocht. Sie schmeckt nicht wirklich, verursacht dir nur ein flaues Gefühl im Magen. Die Zeitung hast du in 5 Minuten überflogen. Neue Bestzeit. Immerhin. Du willst irgend jemand anrufen, um eine vertraute Stimme zu hören und die Einsamkeit zu verjagen. Doch wenn du vor dem Telefon stehst, erscheint dir selbst das zu anstrengend. Die Zeit verstreicht nicht und draußen schüttet es wie aus Kübeln. Du nimmst dir ein Buch das dich nicht interessiert und zwingst dich ein paar Seiten zu lesen. Nach einer Weile merkst du, daß du die gleiche Zeile schon zum dritten Mal liest und sie noch immer nicht verstehst. Du legst das Buch weg und lehnst dich im Sessel zurück. Vorm Fenster fliegen Krähen vorbei und kündigen den nahenden Winter an. Sie kommen in Schwärmen und lassen sich auf den Telefonleitungen nieder, bis sie ein vorübergehender Fußgänger verscheucht. Du legst eine Cd ein und hörst dir Tom Waits an. Alles was du machen kannst, ist den Sekundenzeiger der Wanduhr zu beobachten. Er dreht seine Runden, unbeirrbar, unbestechlich. Aus Sekunden werden Minuten, aus Minuten Stunden, aus Stunden Tage, Monate, Jahre. Und irgendwann wird es für dich keine Jahre mehr geben. Mit jeder Bewegung die der Zeiger macht, kommst du diesem einen, letzten Tag näher. Es ist Mittag geworden, draußen ist es noch immer düster. Die Sonne scheint diesen Tag vergessen zu haben. Du hast keinen Hunger, zwingst dich aber ein paar Bissen zu essen. An was du auch denkst, alles scheint seinen Sinn und seine Farbe verloren zu haben. Es gibt nichts in deinem Leben, außer dem Nichts. Dem großen, alles fressenden Nichts, in das du dich fallen läßt. Du drehst den Fernseher auf, läßt dich berieseln, vor dir eine Flasche Whiskey. Wenn das Leben keinen Sinn macht, muß man sich mit Sinnlosem zu helfen wissen. Am Abend ist die Flasche zur Hälfte geleert. Du weißt, du mußt hinaus, Leute sehen, aber bei dem Regen ist nicht daran zu denken. Keiner deiner Freunde würde heute auch nur einen Schritt hinaus wagen. Na und? Wer braucht schon Freunde. Du setzt dich in die Straßenbahn. Allein. Kein Mensch da. Außer dem Fahrer. In der Stadt suchst du dir das erstbeste Lokal aus und setzt dich an einen kleinen Tisch. Es stehen und sitzen einige Leute um dich herum. Sie tun als würden sie sich amüsieren, aber es wirkt sehr verkrampft. Die Musik ist viel zu laut, man muß sich gegenseitig anschreien, um einander zu verstehen. Aber wer will die Anderen schon verstehen. Den meisten reicht es, gesehen zu werden. Die Zigarettenpackung ist leer. Die Einsamkeit ist hier stärker als zu Hause, außerdem ist dir kalt. Du zahlst, und verlässt das Lokal wieder. Der Regen ist in Schneefall übergegangen, eine dünne weiße Schicht bedeckt die Straßen. Die Stadt schaut sehr friedlich aus, wie in einen Mantel gehüllt. Morgen werden die Abgase der Autos den Schnee in braunen Gatsch verwandeln. Zu Hause nimmst du dir die zweite Hälfte der Whiskeyflasche vor. Im Fernsehen läuft ein Fußballmatch das dich nicht interessiert, aber du schaust es dir trotzdem an. Die Stunden ziehen dahin, es ist spät und du müde. Aber du bist zu faul um dich ins Bett zu legen. Irgendwann nimmst du den letzten Rest von Willen zusammen und drehst den Fernseher ab. Du weißt nicht einmal mehr richtig, was du gesehen hast. Du ziehst dich aus und legst dich ins Bett. Alles dreht sich ein bißchen wenn du die Augen zumachst, der Whiskey zeigt seine Wirkung. Wie schon so oft denkst du daran was wäre, wenn du einfach nicht mehr aufwachen würdest. Und mit jedem Mal scheint dir die Vorstellung besser zu gefallen.

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